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Der Schlittelrain im Gönhard verliert seine Identität

Schockierend für die einen, schlichtwegs unverständlich für die anderen. Die Emotionen zum Fait Accomplis“/ zur brutalen Fällaktion am Schlittelrain gingen hoch. Vom 6-jährigen Schulkind bis zur über 70-jährigen alteingesessenen Quartierbewohnerin,  niemanden liess das dreiste Vorgehen kalt. Zahlreiche, zum Teil über 120 Jahre alte, in der Mehrzahl gesunde Eichen, Buchen und Fichten wurden in einer Nacht und Nebelaktion Ende Juli 2022 vernichtet. Nur die Erbengemeinschaft als Landbesitzer und die mit dem Fällen beauftragte Firma wussten davon. Stabsmässig vorbereitet, juristisch und kommunikativ gut beraten, wurden die Bäume innerhalb kürzester Zeit gefällt und die Strünke weggefräst. In einer Zeit in dem im Gönhard normalerweise friedliche Sommerruhe herrscht und ein Grossteil der Bewohner in den Ferien weilt.

Einen kurzen Shitstorm nehmen die Landbesitzer  als Gegenleistung für den zukünftigen Profit gerne in Kauf, zumal von den Verantwortlichen niemand hier wohnt und die Aktion rechtlich (leider) legal war. Hingegen: Das Vorgehen war feige und dumm. Feige, weil sich die Erbengemeinschaft vor dem öffentlichen Auftritt und dem Austausch mit Bevölkerung gedrückt hat. Auch wenn es moralisierend tönt:  Besitz bringt auch Verantwortung mit sich und verpflichtet. Dumm,  weil der zerstörte Baumbestand problemlos und wertsteigernd in ein gutes Bauprojekt integriert werden hätte können. Als Schattenspender wären die Bäume in der heissen Jahreszeit den zukünftigen Bewohnern des Schlittelrains wahrscheinlich willkommen gewesen. Ganz abgesehen vom Wert für die Biodiversität.

Leider haben wir im Quartier keinen Miraculix, der bekannte Druide aus den Asterix Heften. In der Geschichte „Trabantenstadt“ (die Ähnlichkeit mit dem vorliegenden Fall ist verblüffend) lässt er des nachts die von den Römern  gefällten Bäume wieder auferstehen.

Das rücksichtslose Vorgehen der Erbengemeinschaft lässt nichts Gutes für die absehbare  Überbauung des Schlittelrains befürchten. Ich hoffe zum Wohl des Quartiers, dass die Stadt bei der Baubewilligung genau hinschaut und bei der Positionierung der Bauten auf die Sicherstellung der Kaltluftströme achtet.

Dass  die Landbesitzer dem städtischen Bauminventar und damit allfällig verbunden Auflagen zuvorkommen wollten, wurde als Vermutung geäussert. Die Stadt ist deshalb gefordert, so rasch als möglich Massnahmen auf dem gesamten Stadtgebiet zu ergreifen, dass sich solche „Vorfälle“ nicht wiederholen können. Sei es mit einem provisorischen Fällverbot bis zur Inkraftsetzung des Bauminventars, sei es mit der Sensibilisierung von Landbesitzern mit einem wertvollem Baumstand – unnötige Fällaktionen verhindern ist effektiver als neue Klimaoasen zu schaffen. 

Die generationenübergreifenden und identitätstiftenden Wahrzeichen des Schlittelrains sind für immer verschwunden.  Im kollektiven Quartiergedächtnis sie aber noch immer präsent. Damit es so bleibt, rufen wir die Quartierbewohner  von jung bis alt auf, uns Fotos vom Schlitttelrain mit den verschwundenen Bäumen zusammen mit einer kurzen Beschreibung oder Geschichte zu schicken.

Wir sammeln die Fotos und die Beiträge fassen sie zusammen und machen sie auf der Website und im Rahmen einer kleinen Ausstellung zugänglich. Vielleicht finden sie dereinst auch Eingangs in das Archiv des Stadtmuseums.  Aus den eingesandten Beiträgen werden drei Baumbestimmungsbücher ausgelost.

Peter Jann, Präsident Quartierverein Gönhard
(der Autor vertritt hier seine eigene Meinung)