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Eric und sein Triumph Stag

Oft prägen parkierte Autos vor den Häusern das idyllische Bild unserer Gartenstadt im Gönhard. Weil mich das Zusammenspiel des Autodesigns mit der Architektur fasziniert, habe ich dafür eine Bildstrecke realisiert, welche bald auf diesem Blog veröffentlicht wird. Ein spezieller Ort liess mich nie los. Meistens mit einer Plane zugedeckt, steht an der Gotthelfstrasse 25 ein Oldtimer, parkiert unter einem schönen Carport. Es kommt vor, dass unter dem Auto zwei Füsse hervor schauen. Sie gehören dem Besitzer Eric Schürmann, der oft an diesem schönen Wagen herum schraubt. 

Der Triumph Stag heute. Bilder: Andreas Ott

Durchfahrt im Gönhard 
Da wir die Herbstausgabe 2020 unserer Quartierzeitung dem Thema «Durchfahrt im Gönhard» widmen, habe ich Eric spontan angesprochen. So kam es, dass er mich eine Woche später zu sich nach Hause einlud für ein Interview. Freundlich wurde ich empfangen, durch die schmucke Wohnung via Hinterausgang in den malerischen kleinen Garten geführt. Das Haus mit dem grünen Anbau zeichnet sich durch seine typisch britische Architektur aus — und auch der Garten zeigt, dass die englische Kultur nahe ist. Das zeigt auch das dunkle Bier, das er mir serviert. Danach beginnt er von seinem Leben und seinen Autos zu erzählen. 

Die Faszination der englischen Autos 
Eric wohnt mit seiner Frau seit 1972 in Aarau. Zuerst an Goldernstrasse, dann am Bühlrain, im Zelgli und seit 1980 im Gönhard an der Gotthelfstrasse 25. 1973 hat Eric die Lehre bei Emil Frey abgeschlossen. Während der Lehrzeit entdeckte er die Faszination für englische Autos. Nach Weiterbildungen an der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur und Vertiefen der Fremdsprachen Französisch und Englisch trat er 1978 in die Technische Abteilung der Automobilimport-Firma British Leyland Switzerland, die zur Emil Frey Gruppe gehörte, ein. Dort und in den Nachfolgefirmen STREAG AG, Rover Group Switzerland, MG Rover Switzerland und Emil Frey Classics AG war er 39 Jahre, zuerst als Technischer Sachbearbeiter, dann als After Sales Manager und später als Leiter Einkauf Emil Frey Gruppe tätig. British Leyland Motor Corporation war ein britischer Automobilproduzent von über 10 verschiedenen englischen Marken, woraus später die Austin Rover Group und Rover Group entstand. 

Zurück zu Emil Frey
Nach seiner Teilpensionierung 2014 arbeitete Eric für den Aufbau des Emil Frey Classic Car Museums. Er war somit zurück in Safenwil, wo er einst vor ca. 50 Jahren die Berufslehre absolviert hat. Gleichzeitig konnte er seine über all die Jahre gesammelten Archivalien der Emil Frey Gruppe mit den englischen Automobilen im Museum integrieren. Eric führte den Archiv-Aufbau und war für Zertifizierungen und Importbestätigungen von englischen Oldtimerfahrzeugen verantwortlich. Er hatte auch die Aufgabe, die Museumsführungen zu gestalten und hat dazu die Museums-Führer ausgebildet. Bis 2018 arbeitete Eric bei Emil Frey Classics, ist jedoch noch heute für technische Auskünfte und Museumsführungen zur Stelle. Eric meint: «Ich finde es immer schön, da hinzugehen, wo ich meine ehemaligen Arbeitskolleginnen und -Kollegen treffe, immer wieder neue Menschen kennen lernen kann und meine «alten Geschichten» und mein Wissen den nachfolgenden Generationen weitergeben darf.»

Die Geschichte mit dem Triumph Stag 
Was hat es nun mit diesem meist zugedeckten, roten Fahrzeug im Carport auf sich? Als Eric mit seiner Familie in den 8Oer-Jahren an der Gotthelfstrasse das Haus bezog, fuhr dort regelmässig ein roter 
Triumph Stag vorbei. Eric hat ihn immer wieder gesehen. Und gehört. Nebst dem Design hat sich der Hobby Musiker auch in die Akustik dieses Engländers verliebt. Damals, mit frischer Familie und neu gekauftem Haus, konnte er sich noch kein solches Auto leisten. 

Doch wem gehörte dieser rote Stag? Es war der Chirurg Dr. med. Philippe Renold, wohnhaft in den Goldern. Doch eines Tages fuhr der rote Triumph Stag plötzlich nicht mehr durch die Gotthelfstrasse. Was war geschehen? Es vergingen Jahre. Dann 2013, als Eric für das Classic Car Museum arbeitete, bekam er Lust, einen eigenen Stag-Oldtimer zu fahren. Er kriegte einen Kontakt von einem Sammler aus Beinwil und traute seinen Augen nicht: Der rote Stag von Dr. Renold stand vor ihm! 

Eric und Stag haben nun sieben verflixte Jahre Beziehung hinter sich. Eigentlich sollte man ein solches Auto nicht kaufen. Das Teil hat einen schlechten Ruf. Man spricht von einer schlechten Technik, einem Motor mit Tücken. Den V8-Motor, der nur für den Triumph Stag gebaut wurde, haben die Engländer leider nie ganz fertig entwickelt. Kein Problem für Eric — ja sogar eine Freude, sonst würde es dem pensionierten Autofan langweilig werden. 

Eric und seine Frau fahren bei schönem Wetter durch den malerischen Jura. Mit dem Cabrio tuckern sie durch die Täler, hören die Vögel zwitschern und riechen das frisch geschnittene Gras. Dazu fährt Eric an die alle zwei Jahre durchgeführten internationalen Stag-Treffen. Er war schon in England, Holland, Belgien, und nun freut er sich auf den nächsten Frühling, dann geht es nach Lübeck in Norddeutschland. 

Neue Bekanntschaften dank dem Stag 
Immer wieder, wenn Eric am «Schrübelen» ist, wird er von Passanten angesprochen. Er freut sich über das Interesse und ist immer für einen Schwatz zu haben. Eric findet es wichtig, dass man die Kultur der Autos schätzt und in Geschichten verpackt. So wie diese, die wir jetzt gerade fürs Gönhard Gezwitscher  schreiben.

Form follows function 
Eric bestätigt meine Meinung, dass das Design von neuen Autos nicht mehr den ausgeprägten individuellen Charakter der älteren Fahrzeuge mehr hat. Dies zieht sich durch praktisch alle Marken. Früher sprach man von Charakter-Autos. Man konnte klar zwischen BWM, Audi und Mercedes unterscheiden. Aufgrund der Optimierung der Sicherheit und der Abgasemissionen musste im Design auf Funktion optimiert werden, so dass wir mehr und mehr auf der Strasse einen Einheitsbrei zu sehen bekommen. Ecken und Kanten gibt es kaum mehr. Dies ist auch der Grund, weshalb die Fotoserie vorzüglich alte Autos enthält. Ich freue mich schon jetzt auf die nächste Begegnung mit einem Oldtimer im Gönhard.