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Dilemma der Nähe

Nein, enger wird es eigentlich nicht im Gönhard. Zwar wird momentan an allen Ecken und Enden gebaut, dabei geht es aber primär um Sanierungen, Ersatzbauten, Anbringung von Solaranlagen und Wärmepumpen oder Aufhübschungen. Doch wenn schon gebaut wird, stellt sich natürlich die Frage, ob nicht in einem Aufwasch die Wohnfläche vergrössert oder ein Balkon oder eine Terrasse ergänzt werden könnte. Und schon poppen sie auf, die Fragen nach dem einzuhaltenden Grenzabstand zu den Nachbarn, Baulinien oder Bauziffern. 

Zunächst erweitert man in Gedanken den Wunsch(an-)bau, skizziert auf Papier und bespricht mit einem Architekten. Spätestens dieser wird einen mit dem Näherbaurecht konfrontieren. Und dann steht sie im Raum die grosse Frage, «wie sag ich’s, wie frag ich’s?» Ein heikles Thema, das Nachbarschaftsgefüge strapazieren und auf die Probe stellen kann. Natürlich spielt das bereits bestehende Verhältnis eine entscheidende Rolle. Bei ohnehin verhärteten Fronten und schon bestehenden Thujazäunen aufgrund früherer Vorfälle, kann man sich das Fragen wahrscheinlich getrost sparen. Spannend ist auch, wer eigentlich den schwierigeren Part in dieser Konstellation hat. Der Bauwillige, der versucht einen günstigen Moment abzupassen, oder der ahnungslose und unvorbereitete Nachbar, der von der nachbarlichen Anfrage durchaus überrumpelt werden kann? 

Nun ist Imperialismus überall an der Tagesordnung, und unabhängig davon, ob es tatsächlich eine Einschränkung gibt oder nicht, schwingen bei der Entscheidungsfindung sicherlich diffuse Verlustängste mit. Diese stehen diametral dem Erhalt einer guten Nachbarschaft gegenüber und schon sitzt man im Schlamassel. Nochmals anders verhält es sich in Situationen, bei denen das Bauvorhaben, Sonne oder Privatsphäre nimmt oder zukünftige Emissionen jeglicher Art bedeutet. 

Möchte ich den Nachbarn für mein Bauprojekt gewinnen, ist ein mentaler «Seitenwechsel» hilfreich: «was ist dem Nachbarn wichtig und warum. Wie könnte eine Lösung aussehen, mit der beide Seiten leben können; kommt für mich vielleicht sogar eine Änderung des ursprünglichen Projekts in Frage?» Immer vor dem Hintergrund, dass beide Seiten an einer guten nachbarschaftlichen Beziehung interessiert sind. So oder so braucht es überzeugende Gründe, vielleicht auch mit einem positiven Aspekt für den Nachbarn. Optimalerweise kommunizieren beide Seiten klar und freundlich ohne Druck aufzubauen oder Enttäuschung spüren zu lassen. Das tönt gut, ist es aber Utopie? Wie im Leben, so gilt auch beim Bauen und der Kommunikation allgemein: Stein auf Stein mit viel Fingerspitzengefühl, dann wirds schon werden. Ich denke wir dürfen optimistisch sein, wir befinden uns schliesslich im Land des Dialoges und der Diplomatie.